Hansjörg Krehl bearbeitet seine Werke mit dem ganzen Spektrum seines Temperaments und Könnens. Entsprechend vielfältig ist seine Arbeit. Einen Einblick in das Schaffen der letzten zehn Jahre vermittelt die Ausstellung im Dreigiebelhaus in Xanten.
Der Künstler
Bei Hansjörg Krehl ist der Malprozess oft mehrstufig und trägt den Charakter einer Auseinandersetzung mit dem Material und letztlich mit sich selbst. Im Ergebnis, dem Bild, konfrontiert er den Betrachter mit der Sichtbarkeit dieser Arbeitsweise. Seine Gemälde sind nicht gegenständlich. Vielmehr stellen sie den Malprozess an sich dar.
Er arbeitet spontan und impulsgeleitet. Bewusste gestalterische und unbewusste emotionale Anteile fließen in die Bildgenese ein, die Farbe wird autonomes bildnerisches Mittel.
Seine Malerei ist subjektiv und unbekümmert, vielfach spielen kräftige Farbwerte bis hin zur Farbwucht eine große Rolle. Die auf den ersten Blick gezielte Formlosigkeit entpuppt sich als komplexes Spiel von zeigen und verbergen, das sehr wohl formalen gestalterischen Entscheidungen unterliegt.
Besehen im Zeitfluss der letzten Jahre stellt sich dar, dass dieses Krehl´sche Tun ein Arbeiten in Serien ist. Es wird offensichtlich, dass je nach Stimmung und Verfügbarkeit der Mittel Bilder entstehen, die sich mit einem ähnlichen malerischen Thema auseinander setzen oder ein künstlerisches Material untersuchen. Das macht letztlich auch das Werk, das Oeuvre, des Künstlers aus und steht für seine eigene Handschrift.
Die Arbeitsweise
Was sagt der Künstler selbst? Über seine Arbeitsweise merkt Hansjörg Krehl an: „Zu Beginn steht die Bildidee, gekoppelt an die mir spontan zur Verfügung stehenden Stilmittel. Das können neben den üblichen künstlerischen auch dem nicht künstlerischen Kontext entnommene Gestaltungsmittel sein. Holz findet dabei ebenso Eingang wie Plastik, Glas oder Papier. Nach dem ersten, spontanen Farbauftrag, der in einem gestischen Akt entsteht, übermale ich die Arbeiten ganz oder in großen Teilen. Während des Malprozesses überlasse ich dem Zufall breiten Raum. Dadurch verändert sich das Bild im Verlauf, findet jetzt zur Bildidee zurück oder entwickelt sich selbstständig weiter. Beides steht gleichwertig nebeneinander, das streng Durchkomponierte neben dem Zufälligen und Emotionalen.“
Übermalungen von Bildern, meist mit Weißtönen oder blauen oder schwarzen Farben verschließen den darunterliegenden Bildraum einerseits, öffnen ihn aber auch für eine weitere Ebene: die des Reliefs. Farbschichten und Pinselstriche sind in der monochromen Fläche als Textur und Morphologie des Bildes sichtbar.
Durch partielles Abtragen dieser Übermalung, oft wieder bis auf den Bildträger, werden ältere Bildschichten, Farbschichten und kompositorische Elementen freigelegt, die in einem neuen Kontext erscheinen und den Künstler bisweilen selber überraschen.
Wie durch ein Vergrößerungsglas schauen auch wir Betrachter dann in die Entstehungsgeschichte des Werkes, durch viele Arbeitsprozesse hindurch, ohne jedoch gänzlich verstehen zu können, wie sich das Bild zu dem organisierte, was es ist. Und dieses Enigmatische, Rätselhafte, verdichtet sich zusammen mit der Komposition der Einzelteile zueinander und dem Klang der Farben untereinander zu der eigentlichen Wirkung dieser Malerei.
Das Material
Für Krehl sind dies immer wieder die Acrylfarben, die ein zügiges Arbeiten erlauben, da sie schnell und ohne Risse trocknen. Sie können mit Wasser vermischt lasierend, fast wie Aquarellfarben, aufgetragen werden und bilden bei stärkerem Farbauftrag einen plastischen, elastischen Film auf dem Bildträger. Dort hinein ritzt der Künstler oft tiefe Furchen, Spuren seiner Bewegung, die geheimnisvolle Zeichen oder auch Worte hinterlassen.
Die Bildgründe, der Wiege aller Bilder gewissermaßen, sind für ihn meist mit Leinwand bespannte Keilrahmen. Auf diesem Material wird mit Farbe gemalt und mit Bleistift und Kreide gezeichnet, Papier und Pappe geklebt und Holz und anderes Alltägliches montiert. Sowohl gefaltete Papiere, als auch gefundene Holzleisten und Abrisse von Pappkartons gehen in das Bild ein und werden im Malprozess vereinnahmt, übermalt und zu spannungsreichen Teilen der Komposition.
Einen ganz besonderen Stellenwert innerhalb des Materialkapitels haben zwei Bildserien: die „Brettlebilder“ und die „Blättlebilder“. Warum das? Sie sind nach den Materialien, die sie verwenden, benannt – Brettle und Blättle. So niedlich sie namentlich daher kommen, so zauberhaft und vergleichsweise klein sind sie auch.
Hansjörg Krehl macht sie bewusst aus alltäglichen, sogar abseitigen Materialien wie Holzbrettchen und verschossenen alten Din A4-Papierbögen, auf die er zeichnet.
Viel stärker als in den großen Leinwandbildern dominiert hier die Linie das Bild. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass diese Bilder eigentlich zum zeichnerischen Werk des Künstlers gehören. Bleistift und Kreide lassen diese Werke entstehen und eine sehr reduzierte Farbigkeit.
Wie Miniaturen nehmen sich diese Serien in seinem Werk aus. Anders als in den großen Gemälden sind die Brettle- und Blättlebilder wie kleine Gegenüber, die als in sich geschlossene Sinneinheiten wirken und auch formal aufgeräumter daher kommen als die großen Leinwandarbeiten. In ihnen zeigt sich eine große Leichtigkeit und Freiheit im Ausdruck, die gerade durch die Bescheidenheit der Mittel um so unmittelbarer wirkt.
Das Sinnliche
Ich möchte diese kleine Betrachtung mit einem Plädoyer für die Sinne beschließen.
Primäre Eigenschaft der Kunst ist es, auf die Sinne zu wirken. Gäbe es diese Dimension im Machen und in der Betrachtung von Kunst nicht, so wäre das ganze Kunst-Schaffen recht fragwürdig.
So aber ist die Kunst eine sinnliche Zone, in der der Schaffende und der Betrachter auf einer Ebene agieren.
Ich unterstelle dem Künstler, sich sinnlich dem Bild ergeben zu müssen, das er selber schafft. Eine Aussage von Hansjörg Krehl ist mir dabei gut in Erinnerung. Er sagt, dass er nach einer Arbeitsphase an einem seiner farblich reduzierten, fast monochromen Bilder einen Punkt erreicht, an dem er mit Farbe arbeiten MUSS. Er können dann „in Farbe baden“, so Krehl.
Auch der Betrachter ist in erster Linie sinnenbegabtes Wesen, wenn er die Werke des Künstlers betrachtet. Und geht es um unsere Sinne, so ist jede Wahrnehmung wahr.
Das Sinnliche in den Bildern von Hansjörg Krehl wird durch zwei wesentliche Gestaltungsmittel angeregt: Die Farbe und die Form. Die Farbgebung der Bilder von Hansjörg Krehl reicht von dem für ihn typischen gipsfarbenen Weiß über ein helles zitroniges Gelb und satte Grün- und kräftige Rottöne bis hin zu nachtdkunklem Blau und Pechschwarz.
Das Nebeneinander von starken Farbwerten und die Komposition aus hellen und dunklen Farben sind kennzeichnend für seine Malerei. Die Form der Bilder ist vielfach dominiert von horizontalen und vertikalen Ordnungen, wie wir sie aus der Landschaft oder der Architektur kennen.
Wie unmittelbar und divers die Bilder dieser Malerei auf den Betrachter wirken können erfährt man, wenn man sich gestattet, (sich selbst oder andere) nach ganz spontanen sinnlichen Eindrücken zu fragen. In der Regel wird jeder sinnliche Eindruck erst einmal unbewusst wahrgenommen, um dann in einem späteren Verarbeitungsprozess in unserem Gehirn mit logischem Sinn, also Inhalt und Deutung angereichert zu werden. Man kann diesen Prozess aber auch zum Teil des Kunstvergnügens machen. Also könnte der Selbstversuch beginnen mit den Fragen: „Wie riecht das Bild?“, „Wonach schmeckt es?“, „Welche Temperatur hat das Werk?“ oder: „Welche Gefühle spricht das Bild an?“
Wie schon Paul Klee sagte, gehört zum Verstehen eines Bildes ein Stuhl. Damit die auf die Dauer ermüdenden Beine den Geist nicht stören… Mein Plädoyer für die Sinne lautet an dieser Stelle: Nehmen Sie sich einen Stuhl, einen guten Gesprächspartner und lassen sie die Bilder auf sich wirken.
Nina Schulze