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Neue Arbeiten

Die neueren Arbeiten von Hansjörg Krehl stehen zwar in einem direkten Verhältnis zu seinen bisherigen Malereien, doch wird das Gemalte unwichtiger, es wird komprimiert und gleichsam an den Rand des Geschehens gedrückt. Acrylfarben, Bleistift, manchmal auch Tusche oder Kreide treffen sich scheinbar zufällig auf einer Spanplatte, meist in recht kleinen Formaten. Die Zeichnung wird zum Gedankenträger; die Malerei gibt nur noch den Hintergrund, die subjektive Basis zu dem Stattfindenden, sie ist zwar noch ein wenig Inhaltsträger, doch vielmehr bereitet sie erst den Freiraum, in dem die Linie sich ihr Recht erkämpft.

Es ist schon noch etwas Malerei, aber gleichzeitig ist es schon mehr als ,nur’ dies. Das Gemalte wird zum Umfeld, es wird gleichsam zu einem Bühnenbild, es rahmt das Geschehen ein, gibt ihm etwas Farbe und auch gleichzeitig Halt. Die Zeichnung tritt auf die imaginäre Bühne, gleich Balletttänzern kreisen die Linien scheinbar zufällig über den Grund, doch eine Choreografie ist erahnbar. Die Zeichnungen in den auf fast uni-weiß grundierten Spanplatten, abgesehen von den in die Randzonen verdrängten Farbflächen, wenn, dann nur sehr vorsichtig mit Farben unterlegte Weißzonen, zeigen sich als erkämpfte und abgerungene Zeichen. Sie umkreisen häufig sich selbst; lassen Figuratives erahnen, aber bei genauerem Hinsehen verflüchtigt sich die zunächst erkannte Form in das Weiß der Umgebung. Aus der erkannten Linie wird somit ein von Dynamik getriebenes Gespinst aus Linien, die Flächen ergreifen und bezeichnen.

Gleich einem Meißel gräbt das Grafit sich in den teils noch feuchten Untergrund; die Träumerei der Linie beginnt, immer wieder erlaubt sie sich – fast spielerisch – Andeutungen von erkennbarem, doch bevor es sich zu einem wirklichen Erkennen ausbilden kann, verflüchtigt sich die Linie. Gleich einem Zaubertrick wird die Illusion einer bekannten Form vorgeführt, und in dem Moment, indem man sich dieser annimmt, verschwindet sie wieder. Die scheinbar provokante Banalität des zu Sehenden wird durch die ungeheure Komplexität des Gezeigten überwältigt. Der Betrachter muss sich auf eine Irritation einlassen, von der er zwar ahnt, das sie ihn täuscht, doch ist dies seine Chance einem Verstehen des Inhaltes näher zu kommen.

Das ungebräuchliche Vokabular des Künstlers fordert vom Betrachter ein erhöhtes Maß an Bereitschaft sich in die Bildsprache hineinzufügen – selbst Titel sind als mögliche Hilfestellung nicht vorhanden – , doch gerade dies macht die Arbeiten so spannend und gleichzeitig kontradiktorisch zu dem bestehenden Zeitgeist: sie widersetzen sich dem leichten Konsum. Sie wollen verstanden werden, bevor sie ihr Geheimnis preisgeben. Der Schlüssel zur Annäherung ist die Empfindung, erst sie ermöglicht das Verborgene zu erkennen, dem Rationalen, dem intellektuell Nachvollziehbaren wird die Basis verweigert; die benutzten Chiffren gleichen erfundenen Worten, die das Unsagbare verkünden sollen. Es sind einzelne Buchstaben, die aus sich heraus kaum einen Text ergeben, doch die Ahnung eines möglichen Daseienden füllt nach und nach die Leerplätze; und erst das Erkennen und das Ergänzen durch den Betrachter eröffnet die Vorstellung eines Zusammenklangs: das Bild ist gemalt, die Zeichnung tritt auf, der Dialog kann beginnen.

Klaus Mechoff