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Eröffnungsrede zur Ausstellung „Hansjörg Krehl – Kleine Gesten“

Meine Damen und Herren,
liebe Freunde

Da sind sie also wieder, die Bilder von Hansjörg Krehl. Vor gut zwei Jahren hatte ich schon einmal das Vergnügen, mich mit ihnen für eine umfangreiche Ausstellung in den Räumen der GKK in Krefeld auseinander zu setzen. Auseinandersetzen? Warum eigentlich auseinander!? Denn das, was sich da im Vorfeld und während meiner Recherchen so abspielte, führte uns eher zusammen. Also uns, die Bilder und mich. Und das ist nicht unbedingt selbstverständlich, denn das, was Hansjörg Krehl mit Pinsel und Acrylfarben sowie mit Bleistift, Tusche und gelegentlich auch Sand auf die Leinwand, Holz oder auch aufs Papier bringt, ist nicht zwingend auf den spontanen Dialog ausgerichtet. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Seine Arbeiten begegnen uns im Gegenteil erst einmal verhalten, vielleicht auch zurückhaltend. Manche sogar ein wenig verschlossen, da zahlreiche Farbschichten Tieferliegendes verdecken oder kleine Zeichnungen auf großem Papier ganz bescheiden daherkommen. Selten nur findet sich die „große Geste“, die sich schlagartig aufdrängt und uns beispielsweise aus der amerikanischen Malerei des „Abstrakten Expressionismus“ oder auch dem „Action Painting“ bekannt ist.

Hansjörg Krehl meidet absichtlich den lauten Knall, der gerne auch verhallt und im ungünstigsten Fall nur ein Klingeln in den Ohren zurück lässt. Das ist nicht seine Art. Auch dann nicht, wenn er, wie noch vor zwei Jahren intensive Farben für seine Arbeiten einsetzte. In jenen, hier jetzt nicht gezeigten Arbeiten kommen der Farbe meist ordnende Funktionen zu. Ein kompositorischer Widerhall aus klarer Form, der den freien grafischen Spuren antwortet. Einige Werke dieser Art sind in dem ausliegenden Katalog von Hansjörg Krehl zu sehen. Die in kräftigen Farben gemalten balkengleichen Formen scheinen der emotionalen zeichnerischen Gesten regelrecht Halt zu geben, ohne sie dabei einzuengen. Im Gegenteil. Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass die flüchtigen Zeichnungen auf die klaren, farbintensiven Balken angewiesen sind, da sie ansonsten aus dem Bild herauspurzeln würden. Krehl gelingt hier also eine spannungsvolle aber dabei zugleich ausgewogene Komposition, ein Merkmal, das sein gesamtes Oeuvre durchzieht.

In der aktuellen Ausstellung aber hat sich der Künstler größtenteils auf die „Kleinen Gesten“ beschränkt, also eine Auswahl sehr farbreduzierter Arbeiten. Immer wieder sucht Krehl auf diesem Weg die Reduktion, die er dabei in zweierlei Hinsicht auslebt. Die eine Möglichkeit besteht darin großen Formaten mit scheinbar kleinen Inhalten zu antworten. Scheinbar ist hier das richtige Wort, da unter den hellen Farbverwischungen deutliche Spuren einer intensiven Farbpalette zu ahnen sind, deren Kraft auch jetzt noch zu spüren ist. Vergleiche zu den Arbeiten von Cy Twombly drängen sich auf, der bereits Ende der 50er Jahre eine Phase der Malerei beginnt, in der die Farbe und das singuläre Zeichen zunehmend an Bedeutung gewinnen. In der kunsthistorischen Literatur findet sich für diese Bilder der Begriff der „inneren Landschaften“ aus Linien, kurzen Verläufen und gestischen Fragmenten, wie sie uns auch in den Arbeiten von Hansjörg Krehl begegnen. Mitunter zeigen sich in dessen Werken einzelne Wörter, wie beispielsweise Palma, die wie Erinnerungsfetzen den Bildgrund aufbrechen. An anderen Stellen scheinen sich Schrift oder Schriftfetzen den Weg durch die Farbe zu suchen. Eher eine Ahnung von Schrift, denn scheitern muss der, der jenen Rhythmen aus Bleistift oder Tusche einen Sinn entnehmen will. Das ist nicht ihre Motivation. Krehl nutzt vielmehr die gestaltgebenden Qualitäten jener Linien ohne Inhalte, um unsere Blicke letztlich an ihnen im Sinne der Reduktion zur Ruhe kommen zu lassen. Dabei ist es interessant zu hören, dass sich der Künstler früher oft durch Texte, die er während seiner Arbeit im Radio hörte, hat lenken lassen. Auf diesem Weg suchte sich das geschrieben Wort ohne Sinnzusammenhang seinen Weg auf den Malgrund, um von dort wiederum die weitere Komposition des Werkes zu steuern. Krehl antwortet der gestaltgebenden Schrift mit weiterer Zeichnung oder auch mit Farbe, woraus letztlich jene so dynamischen Arbeiten resultieren.

Dabei zielt Hansjörg Krehl grundsätzlich nicht auf unsere tiefgreifenden philosophischen Ausdeutungen seiner Werke. Entsprechend verzichtet er auch auf hinweisende oder erklärende Titel. Vielmehr verfolgt er mit großer Begeisterung seit Jahren seine Vorliebe, banale Dinge gestaltend in seine Arbeiten einzubeziehen. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Denn dieser Weg führt ihn immer wieder zur Reduktion, was ihm und uns vielleicht auch, letztlich die Blicke öffnet für Wesentliches. Was das ist, muss dabei ein jeder Betrachter seiner Arbeiten für sich selbst entdecken oder entscheiden. Eine Möglichkeit dazu bieten jene zahlreichen kleinen Zeichnungen, die mal in der Kombination mit Papierfragmenten, mal als alleinige grafische Komposition von großer Kraft sind. Auffallend ist dabei jener Kontrast zwischen bearbeiteter Fläche und freiem Umfeld. Mehrfach haben die kleinen Collagen auf großformatigen Papieren ihren Platz gefunden. Einen Platz, den sie auch benötigen, denn es scheint, als entwickelte Krehl hier mit wenigen Mitteln kleine Kosmen, die den sie umgebenen Raum ohne große Anstrengung ausfüllen.

Die Arbeiten von Hansjörg Krehl erschließen sich nicht sofort. Sie wollen nicht abbilden, selbst wenn sich mitunter Assoziationen zu scheinbar vertrauten Motiven einstellen. Für Krehl sind das zufällige Resultate seiner sehr spontanen und schnellen Arbeitsweise, die oft in einem gestischen Impuls ihren Ursprung hat und erst in einem zweiten Schritt durch die spielerische Überarbeitung der Linie ihr Finale findet. Jeder, der auf eindeutige Aussagen fixiert ist, muss lernen, sich zu gedulden. Denn das, was die Zeichnungen, Collagen und auch Gemälde letztlich vermitteln wollen, ist ein ganz abstraktes Thema. 2007 hat Krehl für den Kunstverein Gelderland eine Ausstellung komponiert, die den Titel trug: „Vom Suchen der Linie und Finden der Form“. Und darum geht es generell in seinem Werk, um das Spiel der Linie auf der Fläche, um das Zusammentreffen zweier Techniken, Zeichnung und Malerei, in einer Arbeit sowie um jene Grenze zwischen beiden, die sowohl trennend, als auch verbindend in Erscheinung tritt. Die Wahl der Farbe erfolgt nicht minder spontan, wie der Einsatz des Stiftes. Darüber hinaus meidet Krehl edle Materialien, aus einer Scheu vor dem Erhabenen und Erhöhtem. Seine Zeichnungen und Collagen auf einfachsten Papieren schöpfen folglich ihre Kraft nicht aus der Anmutung wertvoller Bildträger und Werkstoffe, sondern allein aus sich selbst heraus. Das alles braucht letztlich, trotz der besagten spontanen und aus Zufällen gesteuerten Arbeitsweise seine Zeit. „Without haste“, „keine Eile“ könnte folglich auch ein Ausstellungstitel von Hansjörg Krehl lauten. Eine Ausstellung, in der wie hier für das Museum Katharinenhof in Kranenburg „kleine Gesten“ mit großer Wirkung einladen, langsam erkundet zu werden. Das alles erklärtermaßen trivial, aber, und das können Sie mir glauben, nicht weniger erklärtermaßen mit Konzept.

Dr. Christian Krausch